Zur Geschichte des Tuppenhofs
Siedlungsgeschichte im Raum Büttgen, Rottes, Büttger Wald
Die römische Besiedlung
Aufgrund der zahlreichen Bodenfunde ist erwiesen, dass Menschen seit der Steinzeit im Kaarster Raum siedelten. Im Zuge der römischen Grenzsicherung am Rhein wurde nach mehreren nur provisorisch angelegten Legionslagern im heutigen Neuss-Gnadental schließlich im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein dauerhaftes Legionslager angelegt. Zur Versorgung des ca. 10.000 Mann fassenden Lagers wurden im gesamten Bereich des heutigen Kreises Neuss planmäßig Bauernhöfe bzw. -güter angelegt, die sogenannten „villae rusticae“ in der Nähe der römischen Marschstraßen, die u.a. das Lager Novaesium (Neuss) mit dem Inneren der römischen Provinz Gallien verbanden. Im Büttgener Raum haben sich — neben den Straßenbezeichnungen, wie „Römerstraße“ oder „Grüner Weg“ für gepflasterte römische Straßen — zahlreiche Spuren als Nachweise ehemaliger römischer Guthöfe finden lassen (so geht die Bezeichnung „Weilerhöfe“ wohl eindeutig auf eine „villa rustica“ zurück, die sich vermutlich auf dem Gelände des heutigen Weiler Hofes [Finkenhof] befunden hatte), und auch hinter dem Tuppenhof hat vermutlich eine villa rustica bestanden.
Ab der fränkischen Zeit
Als im Zuge der Völkerwanderung die römischen Siedlungen aufgegeben wurden, verwaldeten die ursprünglichen Siedlungsinseln wieder, und es entstand der „Hamarithi-Wald“ (an diesen Namen erinnert heute noch die Ortsbezeichnung „Hemmerden“) nördlich der Erft. Von der Siedlung „Budica“ aus (der Name Büttgen ist vermutlich keltischen Ursprungs, was bedeuten könnte, dass es eine keltisch-römisch-fränkische Siedlungskontinuität in Büttgen gegeben hat) wurde schließlich „Bruke“, das Siedlungsgebiet im Bruchgelände des Jüchener Baches (das heutige „Kleinenbroich“) angelegt. Vom dortigen Adelssitz, dem Haus Randerath, ging im Zuge des 12. Jahrhunderts eine Rodungstätigkeit aus, wodurch an der Bruchkante zur Flottheide (Flutheide = überflutete Heide, vermutlich aber Heide am Floetbach) eine Siedlungszeile entstand. Dieser Siedlungsplatz war günstig gewählt, weil die Höfe an der Kante zwischen den höher gelegenen Ackerfluren und dem für den Ackerbau ungeeigneten Ausläufer des ehemaligen Rheinverlaufes während der letzten Eiszeit gelegen waren, so dass das tiefergelegene Bruchgelände der Flottheide als Weidefläche für das Vieh genutzt werden konnte. Die naturräumlichen Gegebenheiten des Siedlungsplatz Rottes lassen sich sehr gut auf der in der französischen Zeit entstandenen Tranchotkarte nachvollziehen, und die Katasterkarte von ca. 1811 zeigt die Anordnung der Höfe, die sich wie Perlen an der Schnur entlang der Flottheide aufreihen.
Da im Zuge der Restaurierung des Tuppenhofes zahlreiche Scherbenfunde aufgetaucht sind, lässt sich zweifelsfrei nachweisen, dass der Siedlungsplatz „Tuppenhof“ fast ununterbrochen vom 12. bis ins 20. Jahrhundert bewohnt war.
Eine kurze Geschichte des Tuppenhofs
Der Tuppenhof ist in seiner Art einmalig, weil alle Gebäudeteile des aus einem ursprünglichen Dreiseithof im 19. Jahrhundert zu einer Vierkanthofanlage erwachsenen Ensembles hier ihren Ursprung haben und nicht von irgendwoher herangekarrt wurden. Welcher Bauernhof verfügt außerdem heute noch über einen nach barockem Vorbild angelegten Bauerngarten, geschweige denn über eine alte Eibenallee?
Anders als in den Freilichtmuseen in Kommern oder Grefrath stammt hier alles aus dem Bereich des Tuppenhofes, egal ob Dokumente, Keramikfunde, Gebäude, Inventar und Bauerngerätschaften, alle heutigen Bestandteile des Tuppenhofes haben in der Mehrzahl ihren Ursprung an Ort und Stelle.
Von besonderer Bedeutung sind die unzähligen Keramikreste, die vor allem als Stickungsmaterial in Fundamenten aufgefunden wurden. Sie belegen eine kontinuierliche Besiedlung des Siedlungsplatzes Tuppenhof seit der Mitte des 12. Jahrhunderts. Römische Scherbenfunde verweisen zudem auf die vermutliche Existenz einer villa rustica im 2. bis 4. Jahrhundert in unmittelbarer Nachbarschaft, auf ehemaligen Äckern des Tuppenhofes südlich der Hofanlage. Repliken zweier Rekonstruktionen von Gebrauchs- und Zierkeramik aus dem 19. Jahrhundert, des so genannten „Verlobungstellers“ und eines „Kümpchens“, werden im Museumsladen neben einschlägiger Literatur zur bäuerlichen Geschichte, aber auch zur örtlichen Geschichte (Schriftenreihe des Arbeitskreises Heimatkunde der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Büttgen) zum Kauf angeboten.
Der Fund von Dokumenten zu Beginn der 90er Jahre ist sicherlich außergewöhnlich. Nicht nur durch die Umstände, durch die er ans Licht gelangte, sondern auch durch seinen Inhalt. Es handelt sich um ein Archiv eines kleinen Bauernhofes. Bei adligen Häusern oder Klöstern ist ein Archiv normal, nicht jedoch bei einer kleinbäuerlichen Hofanlage. Diese Sammlung von Dokumenten ist auch deshalb besonders wertvoll, weil sie nicht nur Informationen enthält, die sich auf den Hof selbst beziehen und die persönlichen Verhältnisse seiner Inhaber widerspiegeln, sondern auch auf die z.T. öffentliche Stellung der Hofesinhaber verweisen.
Zwischen 1770 und 1777 bekleidete beispielsweise der damalige Besitzer des Hofes, Mathias Klitzen, drei öffentliche Ämter. Er war zum einen Honschaftsvorsteher der Ahner Honschaft, die aus den Siedlungsflächen Driesch, Rottes, Heide, Wattmannstraße, Alt-Vorst und Linning bestand. Außerdem war ihm das Amt eines Försters des Büttger Waldes übertragen. Als Inhaber dieses Amtes kam ihm eine wichtige Funktion bei der Verteilung des Schlagholzes auf die Nutzungsberechtigten zu; außerdem hatte er den Wald vor Holzfrevel zu bewahren. Am wichtigsten und einträglichsten war jedoch seine Funktion als Steuereinnehmer für Büttgen.
Das erhaltene Steuerbuch des Mathias Klitzen ist ein für die Büttger Geschichte bedeutsames, einzigartiges Dokument, weil es gleichzeitig als ältestes Einwohnerverzeichnis von Büttgen gelten kann.
Durch die Dokumente werden auch Funde auf dem Tuppenhof belegt. So z.B. durch eine amtliche Warnung vor Viehseuchen am Niederrhein um 1773, die das Todesdatum eines Rindes, das im Bereich des ehemaligen Kuhstalles bei den Restaurierungsmaßnahmen als vergrabenes Skelett gefunden wurde, um diese Zeit wahrscheinlich macht. Außerdem können aus Rechnungen, die über 100 Jahre alt sind, Abläufe der Baumaßnahmen zu An- und Umbauten rekonstruiert werden. Gerade hieraus ergeben sich Erkenntnisse zur kommunalen Geschichte der ehemaligen Gemeinde Büttgen und ihrer einzelnen Ortsteile, die bisher unbekannt waren.
Der Tuppenhof zeigt sich in seiner bis heute erhaltenen Bauform als typischer rheinischer Vierkanthof. Über 300 Jahre ist er immerhin alt, wobei am Anfang der Entwicklung ein sogenanntes Wohnstallhaus vom Typ des Niederrheinischen Hallenhauses stand. Am Türsturz kann man das Jahr der Entstehung ablesen: 1709. Ein Vierkanthof wurde der Tuppenhof erst im Laufe der Jahre. Ende des 19. Jahrhunderts hatte man mit dem Wagenschuppen und der Remise den Hof endgültig zu einem geschlossenen Geviert gemacht.
Der Tuppenhof wurde zuletzt bis in die 1970er Jahre vom Ehepaar Peter und Elisabeth Schmitz bewirtschaftet.
Er hat einige Zeitenwenden mitgemacht und seine Wände haben heute noch viel zu erzählen...
Demnach die im Holländisch- und Clevischen abermahl eingerissene leidige Viehe Seuche bereits bis in die gegend von Calcar hingetrungen ist, und Zufolg gnädigsten Rescripti vom 7ten dieses gnädigst befohlen wird, daß das aus gemelten Länderen auf Köllen und weiters getrieben werden wollendes Viehe, andersten nicht als über die gerade Landstraße getrieben werden solle, alß wird scheffen und Vorsteheren unter wilkührlichen Brüchten straf eingebunden, der gleiches Viehe daselbst nicht passiren zu lassen, und so dessen durchgetrieben werden wollen, auf der Stelle zu Arrestiren, und mir deisaes ohne anstand Zu referiren, weshalben weege und strassen mit wechtern zu besetzen seye, welcheren ausstellung scheffen und Vorsteheren anmit aufgetragen ist, Sig(na)t(u)m Zons 10ten 7bris 1774
[Unterschrift:] Mappius Amtsverwalter
Transkription
Da die im Holländischen und Klevischen erneut ausgebrochene Viehseuche bereits bis in die Gegend von Kalkar vorgedrungen ist, und da gemäß dem gnädigsten Rescript [Bescheid, Verwaltungakt] vom Siebten dieses Monats angeordnet worden ist, dass das Vieh, welches aus den genannten Ländern nach Köln und noch weiter getrieben werden soll, nicht anders als über die gerade Landstraße getrieben werden soll, so wird den Schöffen und Vorstehern befohlen (bei Zuwiderhandlung werden empfindliche Strafen ausgesprochen), diesem Vieh dort auf den Straßen keinen Durchgang zu gewähren, und sollte dieser Anordnung zuwider gehandelt werden, so sind die Viehtreiber sofort festzusetzen und derartige Vorgänge mir zu berichten, weshalb Wege und Straßen mit Wachen zu besetzen sind. Diese Maßnahmen sind den Schöffen und Vorstehern hiermit befohlen. Aufgesetzt und unterschrieben zu Zons am 10. September 1774
[Unterschrift:] Mappius Amtsverwalter
(Transkription durch R. M.)