Chronologie einer Rettung
Obwohl der Bauernhof bis in die 1970er Jahre kontinuierlich bewirtschaftet wurde, ist das charakteristische Erscheinungsbild der Wohn- und Wirtschaftsgebäude bis heute erhalten geblieben. Heute beherbergt der Tuppenhof ein Museum für bäuerliche Geschichte und Kultur.
Anfang der achtziger Jahre (1983) verstirbt Peter Schmitz.
Seine Witwe Elisabeth Schmitz wohnt noch eine Zeit lang alleine auf dem Anwesen und verstirbt dann im Juni 1988.
Die Erbengemeinschaft versucht den Denkmalschutz aufzuheben und führt einen Prozess gegen die Stadt. Der Denkmalschutz bleibt jedoch weiterhin bestehen.
Der Künstler Heinz Walter Gerresheim begleitet die Maßnahme, den Tuppenhof zu erhalten und ihm eine Zukunft als Museum zu ermöglichen, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des im Oktober 1991 gegründeten Museumsfördervereins Kaarst e. V.
Gemeinsam mit der Stadt wird ein Konzept zur Erstellung eines Kreislandwirtschaftsmuseums erstellt. In dem Wettkampf um den Standort zwischen dem Kesselhof in Sinsteden und dem Tuppenhof in Vorst erhält der Kesselhof 1989/1990 schließlich den Zuschlag.
1990 werden beim Aufräumen im Stall wertvolle Dokumente gefunden, die wertvolle Aufschlüsse zur Geschichte des Hofes und der Familien der Eigentümer liefern. Sie waren während einer Dachsanierung in den 80er Jahren in den Futtertrog vorübergehend zwischengelagert und dann dort vergessen worden.
Die Gruppe um die Treckerfreunde „Dreh an“, Sparkassendirektor Peter Kirchhartz und H. W. Gerresheim geben, als Sinsteden den Zuschlag erhalten hat, nicht auf und setzen sich für eine kleine Lösung als „museale Begegnungsstätte Tuppenhof“ ein.
Im Dezember 1990 wird ein Förderantrag bei der NRW-Stiftung gestellt, um die Restaurierung der Hofanlage und die Herrichtung als Museum einleiten zu können.
Am 14. Januar 1993 kommt die Genehmigung der NRW-Stiftung. Die anderen Geldgeber folgen.
Am 06.10.1993 wird der Kaufvertrag mit der Erbengemeinschaft geschlossen
Die Gesamtfinanzierung ohne Eigenleistungen des Museumsfördervereins beträgt 4.670 TDM. Davon werden geleistet 2.250 TDM von der NRW-Stiftung, 1.220 TDM vom Land NRW, 900 TDM vom Kreis Neuss, 300 TDM von der Stadt Kaarst. Der Anteil des Museumsfördervereins von 235 TDM wird durch Eigenleistungen gewährleistet.
Die Stadt sichert die Betriebsträgerschaft mit einer Ausfallbürgschaft in Höhe von jährlich TDM.
Ostern 1996 beginnen die Instandsetzungsarbeiten, nachdem Architekt Cornelius verstorben ist und die ARGE Tuppenhof Inge Breidenbach und Dr. Norbert Stannek den Auftrag erhalten hat. Nach 3jähriger Bauzeit eröffnet das Museum Tuppenhof im Mai 1999. Im Frühjahr 2000 sind die Arbeiten abgeschlossen. Im Dezember 2001 erfolgen weitere Zuschüsse im Rahmen der EUROGA für die Fertigstellung der Außenanlagen, den Neu-Aufbau der Außenremise und den Ausbau der Scheune zur Winternutzung sowie den Ausbau des Pferdestalls zum Museumsladen. Im Obergeschoss des Pferdestalles werden zusätzliche Arbeiten zur Aufnahme der Bibliothek und des Archivs sowie eines Verwaltungsbüros durchgeführt.
Warum ausgerechnet der „Tuppenhof“?
Als im Jahre 1984 die letzte Bäuerin, Elisabeth Schmitz, den Tuppenhof verließ, war das Schicksal der Hofanlage eigentlich besiegelt. Was sollte nun den schon vorangeschrittenen Verfall aufhalten?
Da hatten viele wahrscheinlich die Rechnung ohne H.W. Gerresheim gemacht. Der umtriebige Heimatforscher, der sich schon immer für den Erhalt alter Denkmäler eingesetzt hatte, erkannte sofort, welches Kleinod hier aufgegeben werden sollte. Gemeinsam mit Peter Kirchhartz, dem Gründungsvorsitzenden des Museumsfördervereins, ist es gelungen, unter Mithilfe der Treckerfreunde „Dreh an“ einen Verein zu gründen, der sich auch um den Erhalt dieser Hofanlage kümmern sollte.
Ein zähes Ringen und Verhandeln setzte ein, bei dem es nicht nur um die Begegnungsstätte Tuppenhof ging, sondern zunächst sogar um das Kreislandwirtschaftsmuseum.
Viel wurde hin und her überlegt und abgewogen, Pläne wurden geschmiedet und verworfen. Inzwischen dürfte das Projekt „Tuppenhof“ sicherlich mehr als 300 DIN-A-4 Ordner füllen.
Dass letztendlich das Kreislandwirtschaftsmuseum nach Sinsteden vergeben wurde, kann aus heutiger Sicht nur als Glücksfall angesehen werden.
Denke ich heute an die Anfänge zurück, so hatten die „Kämpfer für den Tuppenhof“ in der Startphase und der Aufbauphase einiges an Anfeindungen zu überstehen: „Wie kann man nur so viele Steuergelder zum Fenster rauswerfen“ waren noch höfliche Formulierungen.
Parallelen zur vorübergehenden Diskussion um das Schiefer-Kunstwerk „Brücken über den Nordkanal“ scheinen angebracht.
Darauf, dass sich das Ergebnis trotzdem sehen lassen kann, komme ich gleich noch einmal.
Gott sei Dank musste der Tuppenhof nicht den gleichen Weg nehmen, wie in Kaarst zuvor mehr als 85 Bauernhöfe. Entweder fielen diese Höfe der Abrissbirne zum Opfer oder wurden mehr oder weniger zu Wohnanlagen umgebaut, wobei meistens der Denkmal-Gedanke auf der Strecke geblieben ist.
Ein anderes Schicksal hat dankenswerter Weise der Tuppenhof erlebt, dessen Restaurierung aufgrund der emsigen Architektin Inge Breidenbach sehr behutsam durchgeführt wurde. Jedes Detail wurde bedacht und mit den Handwerkern abgestimmt. Diese Arbeit endete schließlich in einem Bundespreis des Deutschen Handwerks im Denkmalschutz. Hier belegte der Tuppenhof in ganz Deutschland immerhin den 2. Platz.
Allein die Tatsachen, dass das Wohnhaus des Tuppenhofes in seinem derzeitigen Zustand über 300 Jahre ist und der Verein die Geschichte dieser Hofanlage bis ins Jahr 1684 anhand der gefundenen Dokumente zurückverfolgen kann, sind außergewöhnlich in der Museumslandschaft.
In vielen Museen finden Sie Häuser, die von weit her transloziert, d.h. an einem anderen Ort ab- und im Museum wieder aufgebaut wurden. In Freilichtmuseen wie Kommern oder Grefrath haben diese Gebäude eine neue Heimat gefunden.
Die Stadt Kaarst kann stolz sein, eine solche Anlage im Stadtgebiet zu haben. Die Dokumente im Archiv Tuppenhof sind Zeitzeugen für mehr als 300 Jahre Geschichte der Stadt Kaarst.
Die Besonderheit am Tuppenhof ist, dass die Hofanlage schon immer an Ort und Stelle war. Exponate, die Sie hier finden, stammen fast ausschließlich vom Tuppenhof. Ganz zu schweigen von den historischen Großlandmaschinen, die nach Sinsteden geschafft wurden und dort im Kreislandwirtschaftsmueum ausgestellt sind.
Als Highlight aber, dank der Sammelleidenschaft der ehemaligen Bewohner des Tuppenhofes und der Bereitschaft der Erben, diese Dokumente der Nachwelt zu erhalten und zur Verfügung zu stellen, kann die Geschichte dieser kleinbäuerlichen Hofanlage bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Als ein einmaliges Projekt ist das Buch von Hermann Spix erschienen, der den Archivbestand bearbeitet hat und 35 Erkundigungen zur Sozialgeschichte der Bewohner des Tuppenhofes verfasst hat.
Seit der Eröffnung im Jahre 1999 haben inzwischen mehr als 100.000 Menschen den Tuppenhof betreten. Wer hätte schon am 14.01.1993, dem Datum des 1. Bewilligungsbescheides über 1,5 Mio DM, daran gedacht, dass der Tuppenhof eine solche Entwicklung nehmen würde. Waren im Jahre 1991 nur knapp 30 Förderer Mitglied im Museumsförderverein, so konnten wir zwischenzeitlich auf mehr als 120 Mitglieder bauen, die alle die Idee „Tuppenhof“ mittragen. Inzwischen hat auch der NABU (Naturschutzbund Deutschland, OG Kaarst) eine Heimat auf dem Tuppenhof gefunden. Auch die Schützenbruderschaft, die Kindergärten, Schulen oder die Parteien bedienen sich der Hofanlage. In jedem Jahr ist der Terminkalender der Begegnungsstätte Tuppenhof voller als im Jahr vorher.
Besonders stolz ist der Vorstand des Museumsfördervereins jedoch darauf, dass hier auf dem Tuppenhof alles im Ehrenamt geschieht. Die Zahl der Helfer, die nicht alle Mitglied im Förderverein sind, hat sich auf knapp 50 eingependelt. Hier spielt es keine Rolle, welche Art von Arbeiten erforderlich sind. Alle sind mit guter Laune und Freude dabei. Durch dieses freiwillige Engagement lassen sich die alltäglichen Probleme schnell lösen.
Der nicht enden wollenden Energie der vielen Ehrenamtler, die mit und auf dem Tuppenhof zu tun haben, hat zwar in den Amtsstuben manchmal für Kopfschütteln gesorgt, aber auch einiges bewirkt. Das Ergebnis ist hier und heute zu erkennen.
Prof. Dr. Zehnter vom Rheinischen Landesmuseum Bonn hat bei einem Besuch auf dem Tuppenhof einmal gesagt: „Das mit dem Ehrenamt haltet ihr sowie nicht durch!“ Nach fast 20 Jahren schaffen wir es immer noch und sind darauf schon ein wenig stolz, auch wenn uns die Etablierten etwas argwöhnisch beäugen. Denn die Anforderungen, die an alle Ehrenamtler gestellt werden, sind zeitweise höher, als die Anforderungen, welche die Profis an sich stellen.
Unsere Ausstellungen, wie wir sie regelmäßig eröffnen, zeigen, dass auf dem Tuppenhof das Wort Begegnungsstätte ehrlich gemeint ist. Dabei spielt es gar keine Rolle, welche Art Begegnung gemeint ist. Das umfangreiche Programm, das sie in unseren Programmflyern finden, legt Zeugnis ab, dass auch mit einfachsten Mitteln Museumsbetrieb zu meistern ist. Dies sogar mit professionellen Anforderungen.
Kunstwerke, geschaffen von Hobbymalern und Fotografen, zeigen, dass der Tuppenhof als Motiv auch ganz schön Ruhe halten kann. Motive finden sich an jeder Ecke und doppelt so viele zwischendurch.
Suchen Sie sich einfach ihr persönliches Lieblingsmotiv auf dem Tuppenhof. Ich bin sicher, dass Sie sehr schnell auf eins treffen werden.
In diesem Sinne wünschen wir einen angenehmen Aufenthalt auf dem Tuppenhof, angeregte Gespräche und einen guten Erfolg bei der Suche nach Ihrem persönlichen Lieblingsmotiv.